Vor ein paar Tagen begegnete mir ein Facebook-Kommentar, der mich inspirierte, das als Thema aufzugreifen und darüber zu schreiben. Mein Vorhaben für dieses Jahr ist es ja, einmal pro Woche einen Artikel in meinem Blog zu veröffentlichen. Und ich bin sehr gespannt, welche Tricks mein innerer Schweinehund auffahren wird, um mich davon abzuhalten.

In letzter Zeit ertappte ich mich öfter dabei zu glauben, ich müsste in meinem Leben schon weiter gekommen sein.

Seit zwei Jahren wohne ich im Zentrum von Wiesbaden in einer schönen, kleinen Einzimmerwohnung. Im Laufe der letzten drei, vier Jahre habe ich den größten Teil meines Hab und Gut verkauft und alles Materielle mehr oder weniger auf ein Minimum reduziert – immer wieder mit der Frage „brauche ich das wirklich?“. Etliche Kleidersäcke habe ich gespendet, Einiges auch verkauft. Unglaublich, was alles in meinen Schrank reinpasste, das sah von außen gar nicht so aus! Ordner, Unterlagen, Bücher – der Hammer, was für ein altes Zeug da all die Jahre in meinen Regalen schlummerte. Geschirr und Gläser, die ich nie benutzte.

Tja, der größte Teil ist daher längst weg und da war ich nun, fühlte mich gut damit und wollte eher noch mehr aussortieren als anhäufen. Und dann schlich sich von hinten dieser Gedanke an: Du müsstest weiter sein! Du müsstest schon längst Verheiratet sein, Kinder haben, ein Haus haben, beruflich erfolgreicher sein. Schau dich an, du Versager!

Ups. Das hatte gesessen.

Und ich saß zustimmend nickend da und dachte mir „Ja, das stimmt. Ich sollte es in meinem Leben schon viel weiter gebracht haben …“ – und ich sah die Erfolge meiner Freunde auf Facebook und war neidisch. Ich sah mit meinem inneren Auge all das, was die anderen, aber ich nicht erreicht hatten. „Boah, die machen alles richtig, die kriegen alles hin und ich nicht.“

Und dann stieß ich auf den erwähnten Text auf Facebook, der mich daran erinnerte, dass alles zu seiner Zeit kommt. Der Texte besagte, dass einer mit 25 Jahren Chef einer Firma wird und mit 50 stirbt. Und jemand anderes mit 50 eine Firma gründet und mit 90 stirbt. Dass Barack Obama sich mit 55 von seiner Präsidentschaft zur Ruhe setzte und Donald Trump mit 70 Präsident wurde. Jeder habe seine eigene, persönliche Zeitzone, in der er lebt.

Natürlich, so ist es!

Mal ganz unabhängig davon, ob ich das wirklich brauche oder wirklich haben möchte. Das sei jetzt erst einmal außen vor gelassen.

Wenn ich glaube, ich wäre nicht weit genug, dann nur, weil ich mich mit anderen vergleiche.

Es bringt nichts, seine eigenen Erfolge und Misserfolge mit denen von anderen messen zu wollen. „Hör auf zu vergleichen!“, sagte ich mir.

Das Leben misst sich nicht nach Quantität. Auch nicht nach Qualität. Es misst sich überhaupt nicht! Es ist wie es ist. Es ist einfach.

Das Leben lässt sich nicht messen, es lässt sich nur leben.

Und zwar innerhalb meiner eigenen, persönlichen Zeitzone. Unabhängig von allen anderen Zeitzonen, die ich sehe und wahrnehme.

Ich weiß nicht, was das Leben für mich bereithält. Das wäre auch sturzlangweilig.

Ich weiß nicht, was morgen sein wird. Ich weiß nicht, ob ich irgendwann Haus, Hund, Kinder und … öh … ein Pferd haben werde.

Ich weiß nur, wenn ich es möchte, dann darf ich etwas dafür tun. Ich darf heute die Dinge in die Wege leiten, sodass ich sie morgen in Empfang nehmen kann. Ich darf heute sähen, was ich morgen ernten möchte.

Und das ist der wichtige Teil.

Ich darf meine Zeitzone nicht als Ausrede nehmen, warum ich noch kein Präsident bin. Ich darf mich entspannen und das Ziel als Vision vor meinen Augen haben. So, wie ich auf dem Jakobsweg an einem Punkt loslaufe und als Ziel Santiago de Compostela vor meinen Augen habe. Und der Kathedrale in Santiago ist es völlig egal, welchen der vielen Wege ich gegangen bin, um bei ihr anzukommen. Es ist ihr auch egal, wann ich bei ihr ankomme.

Wenn ich da bin, bin ich da.

Das Vergleichen ist mir auch während meiner Seminarzeit bei Robert Betz oft begegnet. Bei vielen Klienten – „Ich habe schon so viel gemacht, ich sollte schon viel weiter sein.“ – wie auch bei mir selbst „Ich sollte auch schon Vorträge vor 2814,9 Menschen gehalten haben und, und, und“. Da tappe ich selbst immer wieder in die „spirituelle Missverständnisse“-Falle.

Oft waren die langsamen Spätzünder genau die, die es auf einmal verstanden hatten und an allen „vorbeizogen“. Um dann später wieder einzubrechen. Und wieder aufzustehen. Und so weiter.

Vergleichen bringt nichts.

Vergleichen muss ich nur dann, wenn ich mich klein fühle. Oder nicht weiß, wo ich hinwill. Wenn ich mich nicht spüre. Wenn ich mich verloren habe.

Vergleichen bringt nichts.

Mich selbst wahrnehmen, mich spüren – das ist das einzige, was mich wirklich erfüllen kann. Egal, was um mich herum passiert, egal, was um mich herum ist oder nicht ist.

Und dabei fällt mir die wunderbare Geschichte von dem Fischer und dem Geschäftsmann ein.

Eines Tages steht ein Geschäftsmann am Pier in einem kleinen Dorf und beobachtet einen Fischer in einem kleinen Kahn, wie er einen riesigen Thunfisch gefangen hat.

Der Geschäftsmann fragt den Fischer, wie viel Zeit er braucht, um so einen großen Fisch zu fangen.

Nur ein paar Stunden, nicht mehr, – antwortet der Fischer.

Warum bleibst du nicht länger und fängst mehrere Fische? – wundert sich der Geschäftsmann.

Ein Fisch reicht mir, um meine Familie für morgen zu versorgen. – sagt der Fischer.

Was machst du sonst den ganzen Tag? – lässt der Geschäftsmann nicht nach.

Ich schlafe bis zum Mittag, dann gehe ich paar Stunden fischen, dann spiele ich mit meinen Kindern, danach gehe ich im Dorf spazieren. Abends trinke ich Wein mit meinen Freunden und spiele Gitarre. Sehen Sie – ich genieße mein Leben. – erklärt der Fischer.

Ich habe in Harvard studiert, – sagt der Geschäftsmann, – und ich helfe dir. Du machst alles falsch. Du musst den ganzen Tag fischen und dir ein großes Boot kaufen!

Und dann? – fragt der Fischer.

Du wirst noch mehr Fische fangen und kaufst dir mehrere Boote. Eines Tages hast du deine eigene Flotte.

Und dann?

Dann wirst du den Fisch nicht an den Großhändler verkaufen, sondern direkt an die Fabrik. Du erhöhst deinen Gewinn, ziehst in eine Großstadt und eröffnest deine eigene Fabrik.

Und wieviel Zeit brauche ich dafür?

15 bis 20 Jahre. – Und was dann?

Und dann, – lächelt der Geschäftsmann, – dann kommt das Angenehmste. Du verkaufst deine Fabrik und wirst sehr reich.

Und dann?

– Dann hörst du auf zu arbeiten, ziehst in ein kleines Dorf am Meer, wirst bis zum Mittag schlafen, ein bisschen fischen, mit deinen Enkelkindern spielen, im Dorf spazieren gehen, abends mit deinen Freunden Wein trinken und Gitarre spielen …

Es ist nichts Verkehrtes daran, Chef einer Firma werden zu wollen oder zu sein oder Präsident, Bundeskanzler oder was auch immer.

Das Leben will gelebt werden. Und zwar von dir auf deine ganz persönliche Weise – egal welche Ziele, Visionen und Wünsche du hast.

Und was auch immer du dir wünschst für dieses Leben, es wird zu dir kommen, wenn du und das Leben reif dafür seid.

Marius Schäfer

Marius Schäfer

Persönlichkeits-Coach

Durch meine eigene Lebenskrise habe ich begonnen, mich damit auseinanderzusetzen, wie ich positive Veränderung in meinem Leben hervorrufen kann. Meine Erfahrungen teile ich hier mit dir.

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