Den Satz „Was dein Herz zum Singen bringt“ hat Robert Betz geprägt. In vielen Vorträgen und Büchern berichtet er ausführlich, wie du dir darüber klar werden kannst, was dein Herz zum Singen bringt und was dieser Ausdruck überhaupt bedeutet.

Ich tappe allerdings immer wieder in die Herz-Kopf-Falle. Das sieht dann so aus: Erst einmal höre ich auf mein Herz und folge dem Herz-Impuls. Und es ist schön. Es ist stimmig. Es ist herzlich.

Nun ja, und dann beim nächsten Mal, wenn ich in einer ähnlichen Situation bin, will ich meinem Herzen treu bleiben. Also glaube ich, ihm wieder zu folgen. Ich wiederhole das, was mein Herz das letzte Mal wollte. Und merke gar nicht, dass es mein Kopf ist, der mir sagt: „Das war gut, das machen wir wieder.“ Und zack, der Kopf hat übernommen. Und was ich dann mache, ist anfangs noch irgendwie ganz ok, aber nicht mehr so gut wie vorher.

Aber das Herz will es doch so

Ich hatte mich knapp zwei Jahre zuckerfrei (und glutenfrei und alkoholfrei und vegan) ernährt.

Eines Tages, ich war gerade auf Lesbos und begleitete eine Ausbildungsgruppe in Transformations-Therapie, ging ich in der schönen Hotelanlage „Alma“ zur Poolbar. Wir hatten Kaffeepause und die Jahre vor meiner zuckerglutenalkoholfreien Ernährung hatte ich in dieser Pause immer ein Eis gegessen und Cappuccino getrunken. Plötzlich sagte eine Stimme in mir „Hey, jetzt werden wir ein Eis essen“. Und ich so „Neeee, ich esse das nicht mehr. Hallo? Zucker und so?“

Tja, dann war es erstmal still in mir.

Und plötzlich merkte ich, wie streng ich gerade mit und zu mir war. All die Jahre war es stimmig, keine Produkte mit raffiniertem Zucker zu essen. Ersatz wie Kokosblütenzucker war okay. Nie hatte ich das Gefühl, ich würde auf etwas verzichten. Ich aß immer nur das, was mir auch schmeckte. Ich hatte nie das Gefühl, mir fehle etwas. Doch jetzt war der Wunsch glasklar und auf einmal verbot ich es mir.

Auf einmal hatte ich das Gefühl, mit meinem inneren Kind zu schimpfen und ihm etwas zu verbieten. Oh, oh. Nicht gut. Ich konnte quasi den kleinen Marius sehen, wie er enttäuscht neben mir hertappte.

Ich fragte mich, warum ich gerade so streng bin und dacht mir: „Was ist denn schon dabei, ein Eis zu essen?“

Also entschied ich, es mir zu erlauben. Diese Entscheidung fühlte sich leicht und stimmig an. Das kleine Kind in mir durfte sich ein Eis aussuchen und essen.

Mmmmh. So lecker. Das war gut.

Prima, das wiederholen wir!

Am nächsten Tag ging ich in der Kaffeepause wieder Richtung Poolbar. Und eine Stimme in mir sagte „Hey, das Eis gestern war so lecker. Lass uns wieder eins essen.“

Und ich so: „Ey ja, gute Idee! Denn es war gestern total stimmig eins zu essen.“

Als ich dann an der Eistruhe stand, überkam mich ein seltsames Gefühl. Da war Widerstand. Es war nicht stimmig, jetzt ein Eis zu essen. Mein „Spinnensinn“ sagte mir: „Nein, kein Eis.“ – und etwas in mir sagte „Jajajaja, Eis, Eis, Eis, das magst du doch so gerne.“

Ein frisch gepresster Orangensaft kam mir in den Sinn und löste Wohlbefinden aus, der Gedanke an das Eis eher Unbehagen.

In mir legte sich ein Schalter um, es machte für mich hörbar „Klick“ – wieder einmal in meinem Leben – und mir wurde klar, was gerade passierte. Vermutlich leuchtete durch diese Erkenntnis die Sonne an dem wolkenlosen Himmel noch etwas heller, weil ich es endlich verstanden hatte.

Die Herz-Kopf-Falle hatte zugeschlagen.

An dem Tag zuvor kam es von Herzen und es war stimmig. Ich, also wir, also mein Herz, mein Kopf und ich, wir waren uns einig, wir waren im gemeinsamen Flow.

Der Kopf (oder der Verstand) hatte sich gemerkt, wie es am Vortag war und wollte mir zuliebe etwas Gutes tun und es wiederholen. Er wusste aber nicht, was jetzt in dem Moment gut für mich war. Er weiß immer nur, was einmal – gut oder schlecht – gewesen war.

Und aus dieser Freude und dem Wohlwollen heraus steht er wie ein Berater zur Seite, der sehr energisch sein kann. Wie ein Berater, der sich eine Belohnung abholen möchte, wenn er etwas Gutes getan hat. Er will mir immer nur Gutes tun. Immer. Das Blöde ist halt nur, dass er nicht wissen kann, was jetzt gut für mich ist. Er kann nur sagen: „Das war gut, das war schlecht.“

In dem Moment war mir das glasklar geworden. Und ich konnte erkennen, wie oft ich in diese Falle getappt bin – und es auch immer wieder tue.

Das Herz zu befragen ist also keine einmalige Angelegenheit, um dann dieser Erkenntnis täglich blind zu folgen. Es ist ein immer und immer wiederkehrender Prozess. Und der Verstand darf und muss trotzdem als Berater zur Seite gezogen werden. Und gemeinsam, also der Verstand als Berater und das Herz als Kompass und ich als Entscheider, wird das Leben leichter. Zusammen wird es stimmig für mich, also für uns.

Miteinander wird es leichter

Miteinander, nicht gegeneinander. „Ich“ als Ganzheit. „Ich“ im innerem Frieden mit mir und all dem, was in mir ist. Der Verstand nicht als Chef, sondern als guter Berater. Das Herz nicht als Diktator, sondern als Teil der Einheit, die ich bin. Jeder, alles in mir wird angehört und mit einbezogen. Niemand, nichts in mir wird für sein Einbringen in die Entscheidung verurteilt.

Alle sind ein Teil von mir. Alle wollen nur das Beste für mich. Sie sind ich. Ich bin sie. Wir sind eins. Das alles bin ich.

So entschied ich mich für den frisch gepressten Orangensaft. Und für das Eis.

Nun nehme ich mir mehr Zeit, bevor ich solche „wichtigen“ Entscheidungen treffe, damit ich jedem Teil in mir genügend Zeit und Raum einräume ihn anzuhören und wahrzunehmen.

In dem Wissen, sie wollen alle nur das Beste.

In dem Wissen, jeder hat eine – seine – besondere Fähigkeit und damit eine spezielle Stärke.

In Liebe und Dankbarkeit zu mir selbst.

Marius Schäfer

Marius Schäfer

Persönlichkeits-Coach

Durch meine eigene Lebenskrise habe ich begonnen, mich damit auseinanderzusetzen, wie ich positive Veränderung in meinem Leben hervorrufen kann. Meine Erfahrungen teile ich hier mit dir.

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